L: Hhm, von meinem eigenen Standpunkt aus und meinem Faible für Filme: Nein!
K: Warum denn nicht?
L: Weil er mir zu geradlinig gestrickt ist, eine typische Drei-Akt-Struktur hat: Charaktere werden eingeleitet, ihre Handlungen... man weiß einfach genau, was sie als nächstes tun werden und was als nächstes passiert. Was sagst du denn?
K: Also was mir am Anfang aufgefallen ist, ist dass der gesamte Anfang komplett über Dialoge erzählt wird, also über Sprache. Wenn sie nicht erzählen würden, wer sie sind und was sie machen, würde man das niemals rauskriegen. Ich fand, dass ein Film so nicht gut anfängt. Dass dann ein Moment kommt, der eine ganz gute Idee ist, ganz witzig ist - diese Verwechslung im Büro - das ist ganz nett. Und von da an wird der Film aber eigentlich immer schlimmer bis zum Ende, was ganz furchtbar ist.
L: Ja, das ist auf einer Seite natürlich Kitsch pur, aber es ist französisches Komödienkino, und dafür ist der Film perfekt.
K: Ja, lieben das die Franzosen??
L: Das ist so typisch französisch, so wie ich es kennen gelernt habe, haut’s einfach nur hin: Diese Frau, wie sie aus der Bourgeoisie kommt, wie sie keine Gefühle zeigt, wie sie natürlich auf ihre Art über-ambitioniert ist - „les ambitieux“ man denke daran – und wie sie halt mit aller Kraft versucht ihre Schönheit, ihre Eleganz und ihr absolutes Dasein aufrecht zu erhalten, was natürlich nicht funktionieren kann. Das ist auch die einzige Essenz, die ich aus dem Film gezogen hab: Sie versucht natürlich nicht zu zeigen, dass sie überhaupt Gefühle hat und das ist der einzige Bruch den der Film macht, dass er halt zeigt, dass da doch Gefühle im Spiel sind und dass ein Mensch, gerade in unserer heutigen Gesellschaft eigentlich das Bild gibt, dass die Frau darstellt. Auch der Julien
ist ein typischer Gesellschaftsmensch, ist halt eher der Introvertierte, der versucht dringend irgendwas zu machen. Aber halt auch scheitert wie die tolle Pariser Schnecke, die halt sowieso on top steht und mit so’nem tollen Fernsehstar liiert scheint...Ja aber das einzige, was dabei herauskommt ist, dass man solche Menschen brechen kann und das man die aus ihren Gefühlen und aus ihren Ängsten herausholen kann, so dass sie einfach mal Menschen werden, wie wir sie allein oft nicht sein wollen und nicht versuchen sich der Gesellschaft anzupassen um möglichst toll zu sein.
K: Aber das fand ich bei dem Film auch so schade, weil ich fand - insgesamt, wie die Story aufgebaut ist, das war alles so wahnsinnig ausgedacht und unglaubhaft auch. Das dann irgendwie, als es dann „echt“ wird, dann wird geschrien und geheult und irgendwie soll dann ein wirkliches Drama passieren. Mir ging es dabei so, dass ich das dann eher lächerlich fand, weil es für mich
überhaupt nicht unterfüttert war. Also ich konnte das überhaupt nicht richtig nachvollziehen... ihren Zusammenbruch und so...Der war... vielleicht konnte man den nachdenken, aber ich konnte den nicht nachfühlen, weil der nicht... Da war nichts in dem Film und man konnte das alles nicht glauben, und das find ich immer besonders peinlich, also dann soll ein Film ne oberflächliche Komödie bleiben, aber wenn er dann versucht in die unteren Schichten vorzudringen, dann tuts irgendwie weh.
L: Okay, ja...
K: Eins fällt mir noch ein, weil du sagst: „typische französische Komödie“ ...
L: Ja, also auf diese typische Bourgeoisie-Art kann ich halb aus Erfahrung sagen, dass es das genau trifft. Und das Ding, was du gerade meintest, mit den Gefühlen, ist halt das Problem am Film. Das kann man, wenn man möchte, schon am Titel erkennen. Er ist halt über-ambitioniert.
K: Stimmt!
L: Er versucht halt alles in eine Tasche, eine Filmtasche, eine Filmrolle zu packen. Kann er aber nicht, weil: entweder oder: entweder Komödie oder Gefühl. So ein Mix ist leider sehr oberflächlich, aber genau das, was die Bourgeoisie gerne sieht. Sie sieht sich selber darin, sie weiß auch das sie Gefühle hat, aber sie lacht dann drüber: Huch, jetzt wird sie hysterisch, huch, jetzt kriegt sie einen Anfall, ha ha ha, ist das lustig. Also sie würden eher noch drüber lachen, wo ich halt sage: Hey das ist jetzt mal ein Funke, der ein bisschen Wahrheit sein könnte, der in solchen Szenen aber untergeht.
K: Hat irgendwo auch etwas teenagerhaftes. Also ich fand es wahnsinnig naiv, von der Geschichte her und auch wie es gemacht war. Also wie so ein Teenager, wie als ob sich so ein ganz junger Mensch diese Geschichte ausgedacht hätte und ich hab mich gefragt... Ich hab neulich einen Film gesehen, der hier ins Kino kam, und zwar „Kann das Liebe sein“, mit dem wunderbaren Titel und einer wunderbaren Besetzung: Sandrine Bonnaire und noch ein ganz guter Schauspieler (Vincent Lindon). Und das war ganz niedlich, aber auch eine recht einfallslose Komödie. Und ich dachte so: Ah, das ist doch so unfranzösisch, das kam mir so amerikanisch vor. Aber vielleicht stimmt das gar nicht, vielleicht wird es da in den gehobenen Gesellschaftsbedürfnissen gern gesehen.
L: Das ist auch genau die Sache, die Pascal Mérigeau angesprochen hat. Er ist so ein Verfechter des Cinéma d'Art et d'Essai und kritisiert, dass die Großen der Branchze immer mehr auf Hollywoodfilme setzen, so dass das amerikanische Kino jahrelang am besten da stand, gleich danach kommen schon die französischen Filme, von denen einige sehr kommerziell und teuer gemacht sind. Ein Kreislauf: Die Begeisterung des französischen Publikums für amerikanische Filme führt dazu, dass das französischen Publikum immer mehr mit Einfachem und Bewährtem “von zu Hause” gefüttert wird und es will eigentlich auch gar nichts anderes mehr sehen. Auch die offiziellen Einrichtungen Frankreichs schmücken sich gern mit dem französischen Kommerzkino. Demzufolge passen sich französische Produktionen an. Mérgeau hasst die UGC-Kette und die Vertreter des Kommerzkinos einfach mal. Und er hat viele Artikel im Nouvel Observateur und jetzt sogar ein Buchz dazu geschrieben, eine Art Abschied vom Kulturkino. Das französische Kino verflacht
auch deswegen, weil die Produzenten Kooperationen mit Fernsehsendern eingehen, die das Geld geben, damit so ein Film überhaupt produziert werden kann und dann muss der Film auch fernsehtauglich sein. Und was macht man abends vor dem Fernseher, als typischer Couchpotato, man guckt sich vielleicht ne Komödie an - und das ist genau, was der Film gemacht hat.
K: Genau, und ein bisschen Gefühl reingemixt.
L: Muss ja auch sein! Eben eine kleine Attitüde, die n bisschen schade ist über eigentlich ambitionierte, junge Menschen, die einmal raus in die Welt wollen. – Bis nach Deutschland auf die französische Filmwoche haben sie es geschafft...
K: ...und man fragt sich wie!
L: Das wird vielleicht das Publikum noch erfahren, da er als Abschlussfilm laufen wird am kommenden Mittwoch.
Das Gespräch wurde unbearbeitet wiedergegeben.
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